Übersetzung: Artikel über unsere Reise bei NO FRILLS SAILING
Hier kommt die versprochene Übersetzung des Artikels von Lars.
Gleich nach meinem ersten Probelauf mit der SY OLIVIA (vollständiger Artikel hier) durchforschte ich das Netz nach allen möglichen Informationen zum Königskreuzer 33 von Fiskars: Ich saugte förmlich jede Internetseite, jeden Beitrag und jede Notiz in mich ein, die ich über dieses Schiff finden konnte. Eine Internetseite war dabei von besonderem Interesse, da sie nicht nur um das Schiff ging, sondern über ein interessantes Projekt: “Halfway Round”. Drei Freunde, ein Königskreuzer 33 und ein Plan, die halbe Welt zu umrunden. Von Kiel/Deutschland nach Cairns/Australien. Ich las weiter. Ich bekam eine Menge an Informationen über den Königskreuzer 33 und machte mir eine Notiz, die Drei später zu kontaktieren.
Ich freue mich, ein paar Stunden mit Robert verbracht zu haben, einem Mitglied der Besatzung der SY CELLO, der mir mit Freude alle meine Fragen zum Schiff und ihrer Reise beantwortet hat. Hier ist unser Interview …
Lars Reisberg | NO FRILLS SAILING.com: Robert, vielen Dank, dass du mir dieses Interview ermöglichst und uns an euren Erfahrungen mit dem “Halfway Round”-Projekt teilhaben lässt. “Seid mutig, habt keine Angst”, das ist der eine Satz, der dir als erstes einfällt, wenn man dich über diese Reise befragt. Warum?
Robert | SY CELLO: Naja, weil es wahrscheinlich bisher das Größte in meinem Leben war. Den Mut zu haben es durchzuziehen, den ersten Schritt zu tun, ist meiner Meinung nach das Wichtigste. Es ist nicht die Segelerfahrung oder die Fähigkeiten als Skipper, es ist dieser erste schwere Schritt - mutig zu sein.
NFS.com: Erzähl uns mehr über euer Projekt.
Rob: Nun … Siggi, Raimund und ich … wir sind Freunde, seitdem wir Kinder sind. Unsere Großeltern sind Geschwister, also kennen wir uns schon unser ganzes Leben lang. Raimund ist derjenige, der uns mit diesem “Segelvirus” infiziert hat. Er ist derjenige, der seinen SKS (“Segelführerschein”) als erstes gemacht hat und - seiner Ansicht nach - “den Urlaub seines Lebens” an Bord einer Segelyacht verbracht hat. Zusammen mit zwei Freunden sind sie damals mit einem kleinen Segelschiff von Passau aus die Donau bis zum Schwarzen Meer gefahren. Die Idee mit der Umrundung der Welt mit einem Segelschiff schwirrte schon länger in seinem Kopf umher. Und er machte zusammen mit Freunden immer wieder tolle Segelreisen im Mittelmeer. Da ich mich so langsam auch für das Segeln begeistern konnte, machte ich 2013 meinen SKS und wir beide beschlossen, die “Halfway Round”-Idee umzusetzen.
NFS.com: Raimund und du. Immer noch ein fehlendes Crew-Mitglied …
Rob: … jap, Siggi. Der dritte Mann. Eines schönen Abends erzählten wir ihm unseren Plan. Obwohl Siggi vorher noch nie einen Fuß auf ein Schiff gesetzt hat, war er sofort total begeistert von der Idee und wollte unbedingt mitmachen. Also waren wir von diesem Zeitpunkt an zu dritt.
NFS.com: Um die halbe Welt zu segeln war also beschlossen. Wie habt ihr das ganze Projekt dann geplant?
Rob: Jetzt da wir wieder zurück sind, muss ich sagen, dass wir unseren größten “Fehler” gleich zu Beginn des Projektes machten. Wir haben uns nicht die nötige Zeit genommen, die ein so großes Projekt benötigt, um gut geplant werden zu können …
NFS.com: … was meinst du damit?
Rob: Naja, um es einfach zu sagen: Wir haben uns nicht mal auf einen gemeinsamen Grundsatz geeinigt. Jeder hatte seine eigene Vorstellung von der Reise. Einer von uns wollte möglichst schnell weg, Hauptsache weg. Ein anderer wollte nicht so viel Geld ausgeben. Ich hätte am liebsten alles um ein Jahr verschoben, um genug Zeit für die Suche nach einem Schiff zu haben, erste Erfahrungen damit in der Ost- und Nordsee zu sammeln und die Reise gründlich planen zu können.
NFS.com: Letztendlich konntet ihr euch jedoch auf einen Kurs einigen. Ihr habt ein Schiff gekauft und seid losgesegelt.
Rob: Ja natürlich. Wir sind alte Kumpels, also hat jeder seine eigenen Vorstellungen den anderen gegenüber etwas angepasst. Das Erste was wir machten war die Planung der Reise. Es war die Zeit für Träume, für (See-)Karten, für Bücher mit vielen Bildern von Südseeinseln, die unsere Phantasie beflügelten …
NFS.com: In Kiel zu starten und durch den Nord-Ostsee-Kanal zu fahren ist mir wohlbekannt, da ich mit meinem eigenen Königskreuzer auch durch den Nord-Ostsee-Kanal durchgefahren bin (vollständiger Artikel hier). Was kam als nächstes?
Rob: Zunächst war uns der Wind nicht wohlgesonnen, also mussten wir erst einmal nach Helgoland, bevor es wieder zurück zu der deutschen und niederländischen Küste ging. Im August durch den Ärmelkanal und über die Biskaya zu segeln war etwas riskant und hat unserem Rigging wirklich einiges abverlangt. Aber es war sehr interessant hier zu segeln. Wir nahmen dann die klassische Route zu den Kanarischen Inseln und danach nach Kap Verde, damit uns die Passatwinde optimal in 18 bis maximal 25 Tagen über den Atlantik in die Karibik bringen.
NFS.com: Ein wahres Blauwassersegel-Abenteuer …
Rob: … ja, wirklich. Und eines, nach dem wir uns lange gesehnt hatten. Wir haben uns mehr auf den Pazifik als auf den Atlantik gefreut. Deshalb planten wir, nur etwa einen Monat in der Karibik zu verweilen und von Insel zu Insel zu segeln. Im Februar wollten wir dann in Richtung des Panama-Kanals aufbrechen, der uns in den Pazifik bringen sollte. Denn da wollten wir schließlich hin.
NFS.com: Ich kann es mir vorstellen - der Atlantik fühlt sich eher nach “zu Hause” an, schließlich ist es “unser” Ozean. Der Pazifik ist …
Rob: … der Pazifik ist der wahre Ozean. So fremdartig. So riesig. So weit weg. Unsere Traumroute würde uns über das Galapagos Archipel führen, bevor es dann weiter über die Osterinseln und die ganzen anderen Südseeinseln nach Cairns in Australien gehen sollte. Ein Mal halb um den Planeten.
NFS.com: Aber die Besatzung der SY CELLO konnte sie nur halb um die halbe Welt führen. Warum?
Rob: Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Wie schon vorhin gesagt, begann alles am ersten Tag unseres Projektes, an dem wir beschlossen hatten, so früh wie möglich mit geringem Budget zu starten. Also mussten wir alles in kürzester Zeit vorbereiten - neben unserer alltäglichen Arbeit. Letztendlich führte es uns zu einem Schiff, welches nicht fit genug war, um den großen Ozean zu durchqueren. Am dritten Tag unserer Atlantik-Überquerung riss uns die Genua ein. Am fünften Tag riss die untere Steuerbord-Wante und am zwölften Tag riss dann auch noch die untere Backbord-Wante. Wir konnten glücklicherweise alles halbwegs mittels improvisierten Seilzügen beheben, doch ungefähr jeden zweiten Tag riss dieses Provisorium und wir mussten es erneut flicken. Also mussten wir mit weniger Segelfläche fahren, was uns natürlich sehr langsam gemacht hat. Kurz bevor wir in Martinique auf der anderen Seite des Atlantiks angekommen sind, bemerkten wir, dass auch unser Achter-Stag angerissen war, womit 3 von 6 Stahlseilen (an)gebrochen waren. Wir haben insgesamt 24 Tage für die Atlantik-Überquerung gebraucht und warteten weitere drei Wochen auf das Eintreffen des neuen Riggs. Diese Zeit war verloren. Da wir alle mehr Zeit in der Karibik verbringen wollten und nicht zum Panama-Kanal hetzen wollten, haben wir die Realität akzeptiert und mussten unseren zweiten Teil des Projektes (die Überquerung des Pazifiks nach Australien) leider aufgeben. Statt dessen konnten wir einen schönen und ausgedehnten Segelurlaub in der Karibik genießen.
NFS.com: Auf die Zeit zurückblickend, ist es immer noch der Urlaub eures Lebens?
Rob: Oh ja, absolut. Aber ich denke wir hätten mehr Zeit und Geld zu Beginn investieren sollen, vor allem in das Schiff und die Ausrüstung selbst. Es hätte uns bestimmt schneller und sicherer nach Australien gebracht. Aber der Zeitplan war für die anderen Besatzungsmitglieder essentiell also war es wohl das Beste, was wir in dieser kurzen Zeit schaffen konnten. Unser Budget war begrenzt - insgesamt 60.000€ – und wir planten die Hälfte davon in den Kauf des Schiffs und die erste Aufrüstung zu investieren und den Rest für die während der Reise anfallenden Kosten, wie Diesel, Essen, Gebühren, Ersatzteile und den Rückflug. Das ist nicht allzuviel Geld für so ein Vorhaben …
NFS.com: Nein, das ist wirklich nicht so viel Geld. Ich denke also, dass ihr so 25.000€ für den Kauf und dann noch etwas mehr für das erste Equimpent eingesetzt habt?
Rob: Das ist korrekt. Wir hatten insgesamt etwa 24 Besichtigungstermine mit Yacht-Besitzern gehabt, die ihr Schiff verkaufen wollten. Es wahr sehr enttäuschend, weil die meisten Schiffe in einem miserablen Zustand waren, keine tausend Euro wert, wenn man mich fragt. Letzten Endes hatten wir zwei Schiffe in der engeren Auswahl: Den Königskreuzer und ein individuelles Aluminium Schiff, welches es nur ein einziges Mal auf der Welt gibt. Wir haben vorher noch nie von der Fiskars-Werft gehört, aber eine Recherche im Internet ergab, dass es eine gute Marke war und der Königskreuzer 33 hat - keinen überragenden - aber dennoch einen guten Ruf gehabt.
NFS.com: Warum habt ihr euch also für den Königskreuzer entschieden?
Rob: Nun … Die Aluminium-Yacht wäre sicherlich der bessere Segler von den beiden gewesen. Es war schlank und robust, für schnelles segeln konzipiert. Bestimmt die bessere Wahl, wenn für uns Geschwindigkeit die Hauptpriorität wäre. Aber wir haben uns aus mehreren Gründen für den Königskreuzer entschieden.
Zuerst: Es war ein Schiff einer Serienproduktion mit gutem, durchdachten und erprobten Design. Unser Schiff war Nummer 171 von 200, also waren wir uns sicher, dass gewisse Kinderkrankheiten der ersten Schiffe behoben sein würden - nicht so bei der Aluminium-Yacht, von der es nur ein einziges Exemplar gibt. GFK ist ein Material, welches nahezu überall auf der Welt (und auch von uns auf hoher See) repariert werden kann. Die Reparatur von Aluminium ist da deutlich komplizierter. Und der Komfort war uns natürlich auch sehr wichtig. Der Königskreuzer ist ein Cruiser. Gebaut, um damit in Urlaub zu fahren. Und Komfort ist eben nicht ganz unwichtig, wenn man mehrere Monate darauf verbringen will, um halb um den Planeten zu segeln.
NFS.com: Und soweit ich weiß, gab es zumindest einen Königskreuzer, der schon zuvor eine komplette Weltumsegelung geschafft hat.
Rob: Genau. Das hat uns noch etwas mehr vom Schiff überzeugt.
Rob: Sie ist aus starkem und robustem Material gebaut. Ihre Hülle ist dick - nicht mit den “Joghurt-Bechern” zu vergleichen, die heutzutage gebaut werden. Ich war sehr von ihrer Stabilität beeindruckt. Obwohl sie schon nahezu 40 Jahre alt war, machte sie auf uns einen guten Eindruck und sah so gut aus, dass wir unseren Augen kaum trauen konnten. Der Vorbesitzer hat ein Bugstrahlruder eingebaut, für ein so kleines Schiff von 33 Fuß Länge komplett unnütz, aber was soll’s. Wir unterzeichneten den Kaufvertrag im Mai 2014 - und wir segelten im August los. Nur vier Monate, um uns mit dem Schiff vertraut zu machen und es für die Reise vorzubereiten … das ist wirklich zügig.
NFS.com: Wie habt ihr euch vorbereitet?
Rob: Immer einen Schritt nach dem anderen. Zuerst gingen wir nur für etwa eine Stunde raus. Ablegen, ein paar Meilen zurücklegen und wieder Anlegen. Das nächste Mal ging es für zwei Stunden raus, etwas mehr Seemeilen und wieder zurück zum Heimathafen. So ging es, bis wir unseren ersten größeren Trip von Kiel in die Schlei-Mündung und wieder zurück unternahmen - einen ähnlichen Trip, wie du ihn gemacht hast (vollständiger Artikel hier) - und schließlich unser erster größerer Schlag über die Nordsee nach Helgoland, mit dem allerersten Nacht-Schlag. Nur ein Schritt auf einmal … Raimund hatte vor unserer Reise etwa 800 Seemeilen Erfahrung, ich hatte etwa 300 Seemeilen und Siggi … naja, er war der Koch (lacht).
NFS.com: Ich würde sagen, es ist clever, einen Schritt nach dem anderen zu machen.
Rob: Ja, das war die beste und effektivste Art zu diesem Zeitpunkt. Aber trotz allem mussten wir Abstriche machen. Wir hätten unser Rigg von einem Profi überprüfen lassen sollen. Vielleicht hätte er die Schwachstellen entdeckt und uns eine Menge Ärger erspart? Egal, wir haben es nicht gemacht und so kam dann der Tag der Abreise.
NFS.com: Was ist die Geschichte hinter dem Namen eures Schiffes?
Rob: Nun. Als wir das Schiff gekauft hatten hieß es “Absolut II”. Und ungeachtet dessen, dass wir alle den Namen hässlich und blöd fanden - wir hatten auch einfach keinerlei Verbindung zu dem Namen. Wir alle lieben Musik und lieben es auch Musik zu machen, auch wenn ich selbst noch kein Instrument gut beherrsche. Also war es vom ersten Tag an klar, dass wir einige unserer Instrumente mit auf die Reise nehmen. Wir hatten eine Gitarre, zwei Mundharmonikas, eine Konzertina, eine Trompete und später auch noch ein Saxophon an Bord und wir hätten auch ein Cello mitnehmen können, aber das ist ein großes Stück Holz, also ließen wir es zu Hause und nannten stattdessen unser Schiff SY CELLO.
NFS.com: Das ist ein schöner Name!
Rob: Allerdings. Zusätzlich zu den Instrumenten hatten wir insgesamt sechs Segel mit dabei. Drei davon waren ganz schön alt, ein Hauptsegel, eine Genua und eine Fock. Wir hatten auch noch einen sehr alten Blister, ließen uns ein nagelneues Hauptsegel anfertigen und kauften noch ein 7 m² großes und robustes Sturmsegel. Mein Rat an alle, investiert in gute Segel und habt am besten mindestens zwei von jedem in guter Qualität dabei. Es ist schließlich ein Segelboot - spart nicht an den Segeln!
NFS.com: Welches andere notwendige Equipment hattet ihr für die Reise an Bord?
Rob: Nun, ich würde sagen, dass wir eher mit magerer Ausstattung über den Ozean gefahren sind: Wir hatten kein Satellitentelefon und auch keinen Navtex-Empfänger (Wetter) an Bord. Zu unserer Sicherheit haben wir ein neues EPIRB (Seenotrettungsboje) und ein neues Funkgerät mit AIS-Empfänger gekauft. Ansonsten hatten wir weit auf dem Ozean keinerlei Möglichkeit zu kommunizieren oder einen aktuellen Wetterbericht einzuholen. Ganz schön riskant, ich weiß, aber … gut. Alles lief gut … (er lacht). Einer unserer wichtigsten Ausrüstungsgegenstände war der Plotter, da er uns die Seekarten und auch, mittels AIS, die Position der anderen Schiffe anzeigen und uns vor Kollisionen mit diesen warnen konnte. Da wir gerade von sicherheitskritischen Dingen sprechen, natürlich hatten wir alle neue Rettungswesten dabei (hier mehr zu Mann-über-Bord-Training) und wir ließen unsere 6-Mann-Rettungsinsel für den Fall der Fälle warten. Für uns war auch ein eBook-Reader wichtig - vor allem während der langen Nachtwachen waren es hauptsächlich Bücher, die wir nebenbei gelesen haben. Und natürlich hörten wir auch viel Musik, um uns wach zu halten …
NFS.com: Lass uns über den Alltag während der Überfahrt reden. Wie war denn das Mittagessen an Bord?
Rob: Nun, Siggi war unser Koch und er hat hervorragende Arbeit geleistet! Ich muss zugeben, wir hatten nicht sehr hohe Ansprüche an das Essen, Hauptsache es gibt viel davon und es schmeckt. Also hat Siggi meistens Pasta mit verschiedenen Arten von Sauce gemacht. Da wir sehr auf unsere Energievorräte achten mussten, war unsere Kühltruhe ausgeschaltet - unser Diesel-Motor lief kein einziges Mal während der gesamten Atlantik-Überquerung! - also konnten wir kein Fleisch oder andere verderbliche Ware mitnehmen. Also ja, fast die ganze Zeit Pasta.
NFS.com: Habt ihr denn geangelt?
Rob: Oh ja, wir haben es versucht! Aber anscheinend war dieses Jahr eine besonders gute Saison für Seegras, der Ozean war voller Seegras - die ganze Zeit! Unsere Haken verfingen sich also ständig in diesem Seegras und zogen es hinter dem Schiff her, wenn sie nicht gleich abrissen. Also mussten wir sie oft einholen und säubern, damit sie fünf Minuten später wieder voller Seegras waren. Also gaben wir es auf, zumindest für eine Weile, um es erneut zu probieren. Eines Nachts fingen wir sogar einen Kalmar. Aber das war es auch schon. Frisches Essen, wie Bananen oder Orangen, gingen uns nach knapp einer Woche aus - aber für zwei Wochen war es auch kein Problem nur auf Dosenfutter und wenig/keine Vitamine umzusteigen. Aber egal, wir haben keinen Fisch und kein frisches Essen gebraucht. Wir hatten genug Zeug dabei, sogar “Luxusgüter” wie Schokolade, Nüsse, Kekse und Marmelade. Von der Ernährungsseite betrachtet war es zwar nicht die gesündeste Atlantik-Überquerung, aber eine wohlschmeckende, die unsere Mägen gefüllt hat.
NFS.com: Was und wie viel habt ihr getrunken?
Rob: Wasser. Die meiste Zeit nur Wasser. Wir hatten insgesamt etwa 300 Liter Wasser dabei. 100 Liter davon im Tank und 200 weitere in kleinen Kanistern. Als wir in der Karibik ankamen, hatten wir noch etwa 90 Liter übrig, also mehr als genug und wir mussten dabei unterwegs nicht einmal viel Wasser sparen. Also kein Problem damit. Außerdem hatten wir noch eine Menge harten Alkohol dabei, wie Rum und Vodka. Aber nicht, weil wir uns gerne betrinken, sondern weil uns fast alle unsere Freunde zum Abschied Rum-Flaschen, so wie es sich für echte Seemänner gehört, geschenkt hatten. Natürlich genehmigten wir uns ab und an einen Drink - aber nicht zu viel …
NFS.com: Wie habt ihr Weihnachten an Bord verbracht? In etwa so, wie wir es bei “Das Boot” gesehen haben, oder ganz anders?
Rob: (lacht) Naja, ja und nein. Es war auf jeden Fall etwas Besonderes für uns, aber nicht im klassischen Sinn des Weihnachtsfestes, sondern eher emotional. Laut unserem Plan wollten wir zu Weihnachten schon an Land in der Karibik sein. Durch unsere “kleinen Problemchen” während der Überfahrt hat es nun mal etwas länger gedauert. Wir hatten ja unseren Freunden und unserer Familie gesagt, dass wir 18 bis 25 Tage für die Überfahrt benötigen würden. Also 18 bis 25 Tage, bis sie mit einer Antwort von uns rechnen könnten. Wir haben insgesamt 24 Tage für die Atlantik-Überquerung gebraucht und unsere Familien haben sich schon nach dem achtzehnten Tag Sorgen gemacht, es war also nicht unbedingt das schönste Weihnachtsfest für sie. Wir haben uns das natürlich gedacht, aber da wir keinerlei Möglichkeit hatten, mit ihnen Kontakt aufzunehmen, war das ein wenig deprimierend. Auf der anderen Seite haben wir an Heiligabend, nach fast drei Wochen ohne Kontakt zu anderen Menschen, das erste fremde Schiff auf dem AIS entdeckt. Ein einzelner Punkt auf dem AIS, wie der Weihnachtsstern. Es hat uns alle sehr euphorisch gestimmt, endlich wieder in der Nähe anderer Menschen zu sein.
NFS.com: Also habt ihr mit ihnen über das Funkgerät gefeiert?
Rob: Zunächst antworteten sie nicht auf unsere Funksprüche. Sie holten schnell auf, es war eine Yacht mit zwei Masten, aber wir denken, dass der Autopilot gesteuert hat und das Funkgerät ausgeschaltet war. Wir steuerten unser Schiff so, dass wir in Rufweite kamen und als sie uns überholten spielte Raimund auf der Trompete ein Weihnachtslied, sodass sie auf uns aufmerksam wurden und an Deck kamen. Sie waren recht erstaunt und wir riefen uns einige Worte zu. Am Abend hatten wir noch ein paar Gläschen Rum und Raimund spielte ein paar Songs auf der Gitarre. Aber das war auch schon das Weihnachtsfest: Keine Tränen, keine klassischen Weihnachtslieder oder Geschenke (nur den Kuchen von Britta, nomnom, DANKE!). Einfach eine entspannte Männerrunde, würde ich sagen.
NFS.com: Kommen wir zum Königskreuzer 33 zurück. Was würdest du sagen, waren die größten Schwächen dieses Schiffes, oder insbesondere von eurem?
Rob: Nun, es ist ein sehr altes Schiff. Das Material war fast 40 Jahre lang Wind und Wetter und dem Salzwasser ausgesetzt. Man kann also kein Top-Segelschiff erwarten. Insbesondere für das kleine Budget. Wir hatten drei größere Mängel bei der SY CELLO. Sie war leider undicht. Die Püttinge (Befestigung der Wanten am Rumpf) waren undicht, also kam Wasser rein, nur tröpfchenweise, aber dafür ständig. Unglücklicherweise hatten wir nichts zum Abdichten dabei und so blieb es bis zur Karibik nicht repariert …
NFS.com: … aber das ist ja ein bekanntes Problem, mit dem fast jede Yacht zu tun hat …
Rob: Genau. Das zweite Problem war der Motor. Er lief gut, sprang immer gut an und wir hatten keinerlei größere Schwierigkeiten mit ihm, aber der BUKH-Diesel war alt, sehr alt. Wir konnten kein Herstellungsdatum finden, aber der Vorbesitzer meinte, dass es noch die erste Maschine im Schiff ist, also wäre es 1977 gebaut, da kann man sich die Betriebsstunden vorstellen … uns wurde schnell klar: Lieber keine Wartung! Jede Schraube, die man lösen oder anziehen wollte, brach schnell ab, weil alles schon sehr alt und abgenutzt war. Wir hatten natürlich die klassischen Ersatzteile, wie Diesel-Filter und Keilriemen dabei, aber wir mussten uns an eine undichte Diesel-Pumpe gewöhnen. Nachdem wir sie geöffnet hatten, war uns klar, dass sie zu alt war um repariert zu werden. Alle Reparaturversuche, die Siggi unternahm, halfen nichts. Auch das Gewinde der Zink-Anode brach uns ab, und so mussten wir sie ankleben. Ja, das waren unsere Hauptsorgen.
NFS.com: Du hast mir aber auch über ein größeres Leck erzählt, wo sich das Wasser dann in der Bilge gesammelt hatte?
Rob: Ja, aber es war kein großes Leck, es war eher eine ausgeschlagene Dichtung am Ruder. Bei der ersten Besichtigung und Probefahrt vor dem Kauf ist es uns nicht aufgefallen. Und ich muss zugeben, der Vorbesitzer hat es sehr geschickt versteckt - er hat die Bilge vor unserer Ankunft trocken gelegt und Küchenpapier beim Ruder ausgelegt. Und uns ist es erst aufgefallen, nachdem wir die Reise begonnen hatten. Aus Zeitmangel konnten wir dieses Problem nicht beheben und mussten jeden Tag mehrfach die Bilge leer pumpen. Wirklich nervtötend.
NFS.com: Habt ihr den Vorbesitzer damit konfrontiert?
Rob: Natürlich, aber er hat es nicht zugeben wollen. Das Kaufen eines gebrauchten Segelschiffs ist wie der Kauf eines gebrauchten PKWs: Man muss in jede kleine Ecke schauen und die kleinsten Mängel suchen, wie Sherlock Holmes (wie findet man ein gebrauchtes Segelboot). Aber ja, das waren die drei Hauptprobleme …
NFS.com: Neben den gebrochenen Wanten …
Rob: Natürlich! Aber daran war ja nicht das Schiff schuld, sondern wir selbst. Wie ich schon gesagt hatte, wir hätten mehr Zeit benötigt, um das Schiff besser kennenzulernen, es von einem Profi untersuchen lassen sollen - vor allem das Rigg - und sie auf diese harte Reise vorzubereiten. Wir haben natürlich das stehende Gut überprüft, aber wir sind keine Experten. Nach der Ankunft in der Karibik habe ich die kaputten und die ganz gebliebenen Teile miteinander verglichen - ich konnte keinen signifikanten Unterschied feststellen. Ein Experte hätte das sicherlich anders gesehen. Dadurch, dass wir uns am Anfang nicht genügend Zeit gelassen hatten, hatten wir am Ende keine Zeit mehr …
NFS.com: … alles rächt sich …
Rob: … früher oder später. Genau. Das wäre ein Rat von mir an alle, die so ein Blauwasser-Abenteuer planen: Nehmt euch viel Zeit und untersucht jeden einzelnen Punkt eures Schiffs, und nehmt Geld in die Hand, um es zu reparieren! Es ist sicherlich keine Geldverschwendung, wenn man dabei einen Experten zu Rate zieht, der sich die kritischsten Punkte anschaut. Nehmt ein paar Stahlseile mit, Rollen (um Seilzüge zu bauen), Ersatz-Wanten und mindestens zwei neue Segel. Das ist nun einmal sicherheitsrelevant. Wir haben übrigens mehrere Schiffsbesatzungen getroffen, die bei der Überfahrt auch Probleme mit ihren Wanten hatten.
NFS.com: Wenn wir gerade von Sicherheit sprechen, was für Ausrüstung hattet ihr diesbezüglich dabei?
Rob: Nun, das was minimal Notwendigste, würde ich sagen. Rettungswesten, eine Rettungsinsel und eine EPIRB. Das war es auch schon. Wir haben in ein neues Funkgerät mit DSC investiert, damit ein Notruf mit genauer Positionsangabe unkompliziert und schnell abgesendet werden kann (hier könnt ihr mehr zum SRC-Zertifikat und DSC-Notrufe lesen). Wir haben uns bei schlechtem Wetter natürlich auch mit Sicherheitsgurten am Schiff befestigt, um nicht über Bord zu fallen. Bei gutem Wetter haben wir das nicht gemacht, da waren wir zu bequem.
NFS.com: Du hattest erwähnt, dass ihr euren Motor kein einziges Mal während der Atlantik-Überquerung angemacht habt, erzähl uns bitte mehr über die Energieversorgung an Bord der SY CELLO.
Rob: Wir haben alle unnötigen Verbraucher abgeschaltet, z.B. die Kühltruhe. In Kiel installierten wir einen kleinen Windgenerator und zwei größere Solarzellen für die Stromversorgung. Der Windgenerator war leider etwas unterdimensioniert und konnte nicht allzu viel zum Energiehaushalt beisteuern, obwohl wir genügend und ständigen Passatwind hatten. Aber unsere Solarzellen waren sagenhaft. Sie waren mehr als ausreichend, um unsere Akkus für die Nacht aufzuladen und die notwendigen Komponenten, wie den Plotter, GPS-Empfänger, das Funkgerät mit AIS, und unsere MP3-Player und eBook-Reader aufzuladen.
NFS.com: Was war das Aufregendste während eurer Reise?
Rob: Raimund würde sagen: “Die andere Seite zu erreichen ist das Coolste überhaupt!” Diesen riesigen Ozean überquert zu haben … das ist … ich kann immer noch nicht die richtigen Worte finden. Worte, die beschreiben könnten, was wir gesehen und erlebt haben, wie es ist alleine da draußen zu sein, nur ich, nur wir, die Wasserwüste und nichts und niemand anderes. Es ist atemberaubend.
NFS.com: Das Ankommen auf der anderen Seite war also das Beste?
Rob: Ja, ich stimme Raimund zu: Nach all den Problemen, die wir auf der Überfahrt hatten, dem Pech, einigen … sagen wir es mal … kleineren Auseinandersetzungen unter der Crew, war es wirklich ein großartiger Moment anzukommen. Wir waren erleichtert und überglücklich. Man konnte dieses Glück und diese Freude in jedem Gesicht der gerade ankommenden Crews erkennen: Crews, die die Überquerung gerade abgeschlossen hatten, strahlten über das ganze Gesicht, man konnte sie schon von weitem in den Bars erkennen …
NFS.com: Und die Natur?
Rob: Einfach unglaublich! Der riesige Ozean, die schier unendliche Weite mit verschiedenen Blautönen. Das Leuchtplankton. Überall Delphine - zusammen mit Meeresschildkröten zu schwimmen - werde ich nie in meinem Leben vergessen. Die Dämmerung - die Dunkelheit, es ist überwältigend die unendliche Zahl von Sternen zu sehen, kaum vorzustellen in unserem hellen Europa. Ich habe noch nie zuvor in meinem Leben so viele Sterne gesehen, unglaublich. Meine Lieblingsinsel war Dominica. Ein so wundervoller, perfekter Ort, ein kleines Paradies. Und man darf Fasching in der Karibik nicht verpassen. Es ist wirklich schwer, wieder nach Hause zurückzukommen.
NFS.com: Ihr habt eure SY CELLO also dort gelassen und verkauft? Wie war die Rückkehr nach Deutschland?
Rob: Ja, es fiel uns wirklich schwer. Obwohl unser Königskreuzer nicht der schnellste Segler war und uns einige Schwierigkeiten bereitet hat, hatten wir unser Schiff geliebt. Schließlich war es für 9 Monate unsere Heimat. Sie zurückzulassen und an eine unbekannte Person zu verkaufen war nicht leicht. Wir haben unsere Rückflüge gebucht und es gab einige Willkommens-Parties zu Hause, aber zurückzukommen fiel uns schwer.
NFS.com: In welcher Hinsicht?
Rob: Nun. Deutschland, oder? Termine, Termine, TERMINE! Wieder arbeiten zu müssen war ein Schock. Alles ist voll von Meetings und es wird von einem erwartet innerhalb kürzester Zeit die volle Leistung zu bringen, von 0 auf 100 Prozent. Pro Tag 10 oder mehr Stunden Arbeit. Nachdem wir für nahezu ein Jahr totale Freiheit genossen hatten, wo uns keiner vorgeschrieben hat, wann oder was wir zu tun hatten, fällt es einem nicht leicht wieder einen Vorgesetzten vor die Nase gesetzt zu bekommen. Von diesem Virus namens Freiheit wird man nicht so schnell geheilt …
NFS.com: Also wieder so schnell wie möglich zurück an Deck? Habt ihr Pläne für weitere Reisen?
Rob: Um ehrlich zu sein, habe ich zuerst gesagt: “Auf keinen Fall wieder Segeln”. Inzwischen, einige Monate nach der Reise, mache ich jedoch wieder Pläne. Vielleicht für ein paar Tage ein Schiff ausleihen und mit der Freundin und ein paar Freunden im Mittelmeer segeln, oder etwas Ähnliches. Aber nein, wir haben keine “großen” Pläne, wie du sie vielleicht hast, zumindest bisher nicht.
NFS.com: Rob, letzte Frage: Was ist dein Tipp an alle von uns, die von einem solchen Abenteuer träumen?
Rob: Ganz einfach: Macht es! Seid mutig! Zögert nicht. Es ist nur der erste Schritt, die Entscheidung, die einem schwer fällt. Danach wird es einfacher und alles wird sich schon irgendwie regeln, glaubt mir. Es ist nichts besonderes, es ist nur eine Segelreise um die halbe Welt, mein Freund (er lacht).
Danke Robert für das interessante und aufregende Interview und dafür, dass du eure Geschichte und euren Rat mit mir und den Lesern von NO-FRILLS-SAILING.com geteilt hast, es war eine Freude, Teil dieser Geschichte zu werden!